Inhalt
1 Was ein ehrbarer Mann tun
muss
Der Roman »Hunter«
4 Geteilt & geliked
Rassistische Potenziale im
Land Brandenburg
6 Rechte Existenzbeweise
Rezension
7 Kurzmeldungen
8 Neu im Archiv
(c) mamarosa / photocase.de
Was ein ehrbarer Mann tun muss
Der Roman »Hunter« von William Pierce als Vorlage für den
Lone Wolf Terrorist
Der Roman »Hunter« ist in der Diskussion um neonazistische Terrorismus-Konzepte und Blau¬
pausen für das organisierte Morden des NSU bisher gänzlich unbeleuchtet. Im Deutschland
der 1990er Jahre hat anscheinend kaum jemand dieses Buch gelesen. Doch eine Analyse des
Romans lohnt sich: Sein Protagonist ist der Prototyp des Lone Wolf mit Organisationsanbin¬
dung. Auch das Verhältnis zwischen Naziterrorist und Geheimdienst spielt eine zentrale Rolle.
1 989 auf Englisch erschienen, ist Hunter der
zweite Roman des durch die Turner-Tagebü¬
cher bekannt und populär gewordenen Autors
»Andrew Macdonald« (Pseudonym von William L.
Pierce). Der Autor William Luther Pierce, US-ame¬
rikanischer Neonazi, Gründer und Chef der Natio¬
nal Alliance und Autor verschiedener Aufsätze
und des Romans »The Turner Diaries« ist weltweit
berüchtigt und galt zu Lebzeiten (bis 2002) als
die wichtigste Inspirationsquelle für militante
»White Supremacists« and »Anti-Government
Extremists«. Hunter wurde in den USA laut
Eigenangabe des Verlags schon bis 1998 61.000
Mal verkauft. Die Turner-Tagebücher sollen zwi¬
schen 1978 und 2001 angeblich 300.000 verkauft
worden sein. Über die digitale Verbreitung ist
nichts bekannt, beide Romane sind aber problem¬
los als pdf im Netz erhältlich. Pierce selbst hielt
angeblich den Hunter für besser gelungen als die
Turner-Tagebücher.
Das Buch ist ein fiktionaler Roman, der in
Washington D.C. der 1980er Jahre spielt. Der
Hauptprotagonist und die absolute Identifikati¬
onsfigur ist der 40jährige Rechtsterrorist und
Vietnam-Veteran Oscar Yeager. Die Leitfrage »How
should an honorable man confront evil?« ist dem
Roman vorangestellt, über das Vorbild Yeager lie¬
fert der Autor die Antwort: Werde Naziterrorist.
Der Roman ist ein Bildungsroman im klassi¬
schen Sinne: Yeager beginnt als autonom agie¬
render emotional geleiteter Feierabendterrorist.
Er professionalisiert und radikalisiert sich und
kollaboriert eine Zeit lang mit einem FBI-ler.
Schließlich wird er der heimliche Chef in einer
Zelle organisierter Rassistlnnen, die bereit sind,
den Kampf um die Köpfe auch durch illegale
Aktivitäten zu führen. Er selbst bleibt aber der
Lone Wolf, der auf dem Weg zum perfekten Terro¬
risten verschiedene Stadien durchläuft und diese
den Leser_innen durch innere Monologe oder
Dialoge mit anderen Figuren erklärt. Das Buch
richtet sich offensichtlich vor allem an die eigene
nationalsozialistische Szene und soll sie radika¬
leren. Der Leser (weniger die Leserin) wird für
antifaschistisches pressearchiv
und bildungszentrum berlin e.v.
(apabiz)
lausitzerstr. 10 | 10999 berlin
geöffnet do von 15 bis 19 uhr
und nach absprache
fon | fax: 0 30.61162 49
mail@apabiz.de
www.apabiz.de
iban: DE30100205000003 320800
bic: BFSWDE33BER
bank für sozialwirtschaft
monitor ist nicht im abo erhältlich,
aber fördermitglieder bekommen
ihn zugeschickt, mehr infos dazu
gibt es auf der rückseite.
monitor - rundbrief des apabiz e.v. |
v.i.s.d.p.: apabiz e.v., c.schulze,
Lausitzer str.10, 10999 berlin | dank an
unsere fördermitglieder, die mit ihrem
beitrag die finanzierung unterstützen |
erscheinungsweise: alle zwei monate
fotos: alle rechte Liegen bei den
fotograf_innen
antifaschistisches pressearchiv und biidungszentrum beriin e. v.
10
1
Pierce zitiert nach
Robert S. Griffin, The
Farne of a Dead Man's
Deeds: An Up-Close
Portrait of White Natio¬
nalist William Pierce,
2001, S. 240.
2
Seine Biografie weist
maßgebliche Parallelen
zum Handeln des Prot¬
agonisten im Hunter
auf, so ist er für mehre¬
re rassistische und anti¬
semitische Morde und
Bombenanschläge ver¬
antwortlich.
3
Vgl. www.inforiot.de/
cdu-trennt-sich-von-
brandstetter/
4
Dies lässt sich etwa in
einem Nachrichtenaus¬
tausch zwischen den
Usern UR Detroit und
Felix Steiner2003 nach¬
vollziehen. Näheres
dazu findet sich in der
längeren Version dieses
Artikels.
5
Vgl. Dirk Laabs: Der
NSU, »The Order« und
die neue Art des Kamp¬
fes, http://www.nsu-
watch.info/2015/02/
der-nsu-order-und-die-
neue-art-des-kampfes/,
2.4.2015
die potenzielle eigene Entwicklung
vom skrupelhabenden Sympathisan¬
ten der nationalsozialistischen Idee
zum entschlossenen militanten
Kämpfer quasi an die Hand genom¬
men. »From the beginning with Hun¬
ter, I had this idea of how fiction can
work as a teaching tool in mind«
schrieb William L. Pierce. 1 Nicht-ras¬
sistische (und nicht-antisemitische
etc.) Leser_innen dürften das Buch
aufgrund der Gewalt- und Hassver¬
herrlichung hochgradig abstoßend
finden.
Thema 1: Heranführung an das
Morden
Die Geschichte beginnt mit der
detaillierten Beschreibung eines Dop¬
pelmordes durch Oscar Yeager an
einem »interracial couple«, sein
sechster Doppelmord an »gemisch¬
ten« Paaren in 22 Tagen. Sein Modus
Operandi ist zunächst immer dersel¬
be: gezielte tödliche Schüsse auf die
Personen ohne Ansprache aus seinem
Auto heraus, die selbe Waffe, das sel¬
be Auto, die Morde auf verschiedenen
Parkplätzen. Später begeht der Prota¬
gonist Morde an Politikern und
öffentlichen Persönlichkeiten sowie
Bombenanschläge. Die Bilanz dieses
»Ein-Mann-Krieges« umfasst am Ende
des Romans weit über 100 Tote. Yea¬
ger handelt dabei im Alleingang, hin¬
terlässt keine Bekennerschreiben
und hat keine Mitwisserinnen. In der
detaillierten Beschreibung der Morde
und der Beschreibung der befriedig¬
ten Gefühle des Mörders nach seinen
Taten - inklusive erotischer Szenen
mit seiner Freundin und Gesinnungs¬
genossin Adelaide nach den Taten -
werden die Leser_innen, ähnlich wie
bei den Turner-Tagebüchern, der
Gewalt gegenüber nicht nur abge¬
stumpft sondern über ihren angebli¬
chen Wert und ihre positiven emotio¬
nalen und politischen Folgen belehrt.
Die ideologische Grundlage wird in
langatmigen gestelzten Dialogen
mitgeliefert: Yeager formuliert seinen
Hass auf die »Durchmischung der
Rassen«, er beklagt den Zustand der
heutigen dekadenten und verblöde¬
ten Gesellschaft, die wachsende Dro¬
gensucht und die offene Homosexua¬
lität. Seine Verachtung richtet sich
gegen Medien, die Politik und politi¬
sche und zivilgesellschaftliche Orga¬
nisationen, die immer neue Gesetze
gegen die (angebliche) Diskriminie¬
rung von >Nicht-Weißen< und für die
Gleichbehandlung fordern und durch¬
setzen würden, um so die >Weißen<
von ihrer Identität und jeglicher Teil¬
habe und Macht abzuschneiden.
Durch zwei andere Figuren wird Yea¬
ger und mit ihm die Leser_innen zum
»die Zusammenhänge (sprich die
»jüdische Weltverschwörung«) ver¬
stehenden« Antisemiten geschult.
Seine Taten entwickeln ein Zusam¬
menspiel mit Gesellschaft und Poli¬
tik, sie provozieren einen verschärf¬
ten Verfolgungsdruck und Anti-Nazi-
Gesetze auf der einen, viele andere -
zu Yeagers Frust oftmals aber dilet¬
tantische - Nachahmer auf der ande¬
ren Seite.
Vorbilder und Nachahmer
Pierce widmete das Buch Hunter
zuerst dem rassistisch motivierten
Serienmörder und Goebbels-Fan
Joseph Paul Franklin, geboren als
James Clayton Vaughn. Sie waren
einander über die Amerikanische Nazi-
Partei (NSWPP/ANP) bekannt. Die
Widmung verschwindet nach der ers¬
ten Ausgabe, doch Franklin ist offen¬
sichtlich die reale historische Vorlage
für den fiktiven Protagonisten Oscar
Yeager des Roman Hunter, auch wenn
Pierce das später bestreitet. 2
Im Gegensatz zu den Turner-
Tagebüchern, deren deutsche
Übersetzung zumindest ab den
späten 1990er Jahren in der deut¬
schen Nazi-Szene kursierte, war der
Hunter unserer Einschätzung nach
sowohl bei Nazis auch als bei Antifa-
schist_innen weitgehend unbekannt
oder zumindest ungelesen, sicherlich
auch aufgrund der Sprache. Im Thia-
zi-Prozess 2014 wurde allerdings the¬
matisiert, dass auf dem »Thiazi-Sam-
pler«, der im Januar 2011 zur Finan¬
zierung des Forums veröffentlicht
wurde, auch die deutsche Überset¬
zung »Jäger« von Pierces Roman ent¬
halten war. Im Forum hatte die Thia-
zi-Moderatorin »Prometheusfunke«,
Nicola Brandstetter, die Übersetzung
als Aufgabe der crowd koordiniert.^
Die im Roman beschriebene Figur
Yeager als Lone Wolf Terrorist ist in
ihrer Perfektion ein fiktives Ideal,
findet aber auch in der Realität der
deutschen Neonaziszene ihre Ent¬
sprechung, mindestens auf der ima-
ginierten Ebene. Wer sich in deut¬
schen Neonazi-Foren in die Denk-
und zum Teil auch Handlungsweise
einliest, findet heimliche Oscar Yea¬
gers dort.^
Thema 2: Die Notwendigkeit
der Organisierung
Der Lone Wolf-Prototyp Oscar
Yeager und seine Freundin Adelaide
finden im Laufe der Handlung
Anschluss an eine unbewaffnete und
klandestine Gruppe von Nationalist-
Innen, die »National League«. Die
Manipulation der Masse ist als optio¬
nale, ja sogar notwendige Methode
legitimiert. Die League-Mitglieder
sind die Elite, die die Menschen und
dadurch den Verlauf der Geschichte
in die gewollte Richtung beeinflus¬
sen. Die Vorlage für die »League« ist
dabei offensichtlich Pierces eigene
Organisation, die National Alliance.
Aus der Gruppe ging nicht nur mit
der rechtsterroristischen Gruppe The
Order - Brüder Schweigen (1983/1984)
ein Vorbild für spätere NSU-Mitglie-
der 5 hervor, sondern auch eine Viel¬
zahl von Nazis, die durch Morde,
Anschläge, Banküberfälle und ähnli¬
che Straftaten kriminelle bis terroris¬
tische Karrieren einschlugen. Dabei
sind nicht nur die Turner-Tagebücher
das Vorbild: Das FBI fand 1995 das
Buch Hunter bei dem US-amerikani¬
schen Neonazi-Terroristen Terry Lynn
Nichols, der zusammen mit Timothy
McVeigh beim Bombenanschlag in
Oklahoma 168 Menschen tötete und
über 800 weitere verletzte.
Laut Aussage des Neonazis und
V-Mannes Sebastian Seemann im Rah¬
men der NSU-Ermittlungen sollte
durch Marko Gottschalk aus dem
Umfeld von Blood and Honour ca. 2005
eine siebenköpfige Combat 18 Zelle in
NRW aufgebaut werden. Den poten¬
ziellen Mitgliedern wurden nicht nur
die Turner-Tagebücher als Pflichtlek¬
türe ausgehändigt sondern auch das
Lesen des Hunter ans Herz gelegt.
Den Ermittlerlnnen war das Buch
übrigens gänzlich unbekannt und sie
interessierten sich offensichtlich
nicht weiter dafür. Wie bei allen Ter¬
rorismus-Konzepten und -Vorlagen
von Neonazis ist jedoch auch beim
Hunter deutlich, dass eine Kombina¬
tion vom hochgradig motivierten
2
monitor | rundbrief des apabiz e.v. | nr. 69, mai 2015
antifaschistisches pressearchiv und biidungszentrum beriin e. v.
Einzeltäter und Zellenstruktur und
übergeordneter Kommandostruktur
(wie bei den Turner-Tagebüchern)
denkbar ist.
Thema 3: Der Terrorist und der
Staat
Nazi-Terrorismus setzt darauf,
nicht nur des Todes der Opfer willens
zu morden und die Bevölkerung
durch Angst zu manipulieren, son¬
dern auch den Staat zum Handeln zu
zwingen. Die Wechselwirkung zwi¬
schen organisiertem neonazistischem
und staatlichem Handeln ist immer
eine wesentliche Komponente in The¬
orie und Praxis. Dabei ist die Kompli¬
zenschaft eines die eigenen Ziele
unterstützenden Teiles der Behörden
immer eine denkbare Option für Neo¬
nazis, die hoffen, gleichgesinnte
Leute in den Behörden zu finden und
sie sich nutzbar zu machen. Für die
tatsächliche Kooperation zwischen
Neonazis und staatlichen Behörden
gibt es zahlreiche Beispiele. Doch die
Nazis halten sich meist für schlauer
in dem Spiel mit der Polizei. Aus
ihrer Sicht sind dann mit dem
Geheimdienst kooperierende Kamera¬
dinnen nicht die Handlanger des Sys¬
tems, sondern die Beamten des Sys¬
tems ihre eigenen Handlanger. Sie
hoffen, das System auszutricksen.
Sicherlich, offiziell gelten alle V-Leu¬
te und Spitzel als Verräter. Die NSU-
Unterstützerin und Blood & Honour
Chemnitz Aktivistin Antje Probst
(heute B.) war noch 1997 recht reso¬
lut darin gewesen, B&H-Aktivisten
der Spitzeltätigkeit zu verdächtigen
und ihren Ausschluss zu fordern.
Doch 1998 wiegelte sie ab: Durch die
Kontakte von einigen B&H-Aktivis¬
ten zum Verfassungsschutz könne
man die Geheimdienste auf falsche
Fährten locken und die eigentlichen
Aktivitäten umso ungestörter durch¬
ziehen.
Im Roman Hunter erscheint diese
Realität in einer verstörenden Weise
widergespiegelt, denn ein zweiter
Handlungsstrang im Roman ist Yea-
gers Konflikt mit den staatlichen
Sicherheitsbehörden. Eines Tages
taucht der FBI-Mann Ryan bei Yeager
auf und setzt ihn unter Druck: Er
selbst unterstütze die Ziele Yeagers,
wenn dieser von nun an für ihn
arbeite, würde er ihn nicht festneh¬
men. Wie in den deutschen Behörden
wird die »Quelle« vor Strafverfolgung
geschützt, auch wenn Yeager nicht
zum Spionieren, sondern zum Mor¬
den angeheuert ist.
Das Spiel beinhaltet auch die kal¬
kulierte staatliche Repression gegen
die eigene Organisation, aber vor
allem gegen die gesellschaftlichen
Teile, die sich gegen den Nazi-Terror
wehren: Der Staat kriminalisiert
Betroffene und Linke. So sind im
Hunter auf mehreren Ebenen die
möglichen Handlungsoptionen eines
Naziterroristen und seinem Zusam¬
menspiel mit dem Staat und die
damit verbundenen Gefahren und
Gewissenskonflikte durchgespielt.
Sie werden am Ende zugunsten der
reinen Ideologie aufgelöst.
Weitergedacht
Über die Rezeption des Romans
in der deutschen Neonazi-Szene und
vor allem die Folgen der Übersetzung
auf Deutsch im Jahre 2009 lässt sich
bisher nur spekulieren. Ähnlich wie
bei den Turner-Tagebüchern dürfte
die Romanform den Hunter als nied¬
rigschwellige Lektüre für militante
NS-Terroristlnnen und vor allem die
sympathisierende Szene attraktiv
gemacht haben. Als Konzeptvorlage
oder zumindest als Inspiration die¬
nen im Hunter vor allem der beschrie¬
bene Modus Operandi von Hinrich¬
tungsgleichen Erschießungen von
mehr oder weniger zufällig ausge¬
wählten Opfern einer bestimmten
Feindbildgruppe an quasi öffentli¬
chen Orten - durch die immer gleiche
Waffe und ohne Bekennerschreiben.
Auch die Idee der Destabilisierung
des Systems durch die Serienmorde
und Bombenanschläge und das mög¬
liche Provozieren von »Rassenunru¬
hen« könnten Ideen gebend sein. Die
erklärte oder heimliche Kombination
von Morden und Anschlägen (durch
klandestine Einzeltäter oder Klein¬
gruppen) und einem ideologischen
Wirken nach Außen durch (im Vor¬
bild der »League« erst durch legale,
dann klandestine Strukturen) dürfte
die Realität des deutschen und inter¬
nationalen Rechtsterrorismus gut
widerspiegeln. Die menschenverach¬
tenden Denkweisen sind repräsenta¬
tiv für einen Prototyen eines männli¬
chen Neonazis, den man - z.B. auf¬
grund aufgegebener Mitgliedschaft in
neonazistischen Organisationen -
nicht oder nur sehr schwer einschät¬
zen kann. Die »Ein-Personen-Zelle«
ist für die Strafverfolgung undurch-
dringbar. Anders Breivik, David Cope-
land, Kay Diesner - alle diese mut¬
maßlichen »Einzeltäter« hatten vor¬
her die Anbindung an die Szene und
mussten nicht das Gefühl haben,
alleine zu handeln. So könnte Hunter
nicht nur ein heimlicher Traum von
Neonazis sein, sondern handlungs¬
weisend, z.B. wenn man sich den
Mord an Burak Bekta§ in Berlin-Neu¬
kölln im Jahr 2012 anschaut: Ein bis
heute unbekannter >weißer< Mann
tritt wortlos auf eine Gruppe von als
migrantisch zu erkennenden Jugend¬
lichen zu, schießt, dreht sich um und
verschwindet. Kein Bekennerschrei¬
ben. Burak Bekta§ stirbt, Jamal und
Alex überleben schwer verletzt. Und
bis heute fragen wir uns: War das
Motiv Rassismus?
Die Denk- und Artikulierungswei-
se von Neonazis betrachtend, muss
man sich die Frage stellen: Was muss
passieren, damit die Vorlage Hunter
in die Realität umgesetzt wird? Die
zahlreichen ungeklärten Morde und
Anschläge in Deutschland betrach¬
tend ergibt sich aber auch die Frage:
Gibt oder gab es den Hunter? Und
wenn ja, wie viele?
Eike Sanders
Der verstorbene
NA-Kader Craig A.
Jackson mit
Hunter T-Shirt
Dieser Artikel
wird in einer aus¬
führlicheren Versi¬
on auf unserem
Blog »NSU-watch.
info« veröffent¬
licht.
monitor | rundbrief des apabiz e.v. | nr. 69, mai 2015
3
antifaschistisches pressearchiv und biidungszentrum beriin e. v.
x>
Wer mag hier
eigentlich wen?
»Gefällt-mir«-
Angaben von ras¬
sistischen Face-
book-Initiativen.
Die Punkte
außerhalb der
Landkarte stellen
brandenburgweite
Initiativen dar.
Geteilt & geliked
Rassistische Potenziale im Land Brandenburg
Als »Social-Media-Muffel« bezeichnete eine Studie zur Nutzung Sozialer Medien Anfang dieses Jahres die
Brandenburger_innen. Doch dass die Sozialen Medien inzwischen flächendeckend Einzug gefunden haben,
zeigt sich in erschreckender Weise an einer Recherche für den Online-Atlas Rechtes Land: Im Land Branden¬
burg sind Rassistlnnen sehr gut über Facebook vernetzt.
6.000
Likes
4.000
Likes
2.000
Likes
E s ist egal, welche Aktivitäten
gezählt werden, das Ergebnis lau¬
tet immer gleich: Die rassistische
Agitation gegen Geflüchtete und
Migrant_innen hat sowohl bundes¬
weit, als auch im Land Brandenburg
enorm zugenommen. In den ersten
vier Monaten diesen Jahres fanden
hier 38 von 40 rechten Kundgebun¬
gen und Demonstrationen unter
einem rassistischen Motto statt,
dabei lag die durchschnittliche Zahl
rechter Versammlungen in den Vor¬
jahren gerade einmal bei einem Dut¬
zend. 58 von 92 rechten Gewalttaten
im Jahr 2014 wertete der Verein Opf¬
erperspektive als rassistisch moti¬
vierte Straftaten. Neben einem
Gesamtanstieg, ist auch die Zahl ras¬
sistischer Gewalttaten deutlich höher
als im vorangegangenen Jahr. Die
Aufzählung geht weiter: Mit 120.000
Zweitstimmen und damit knapp 12 %
zog die Alternative für Deutschland
(AfD) mit ihrem Anti-Asyl-Wahl-
kampf in den Landtag ein und über¬
ragte die Ergebnisse der rassistischen
NPD und DVU aus vorherigen Wahlen
um Längen. Welche Gefahr noch
droht, zeigt sich bei der Analyse der
rassistischen Facebook-Aktivitäten.
Vernetzung sichtbar machen
Die Fülle von rassistischen Inhal¬
ten im Netz ist nicht überschaubar.
Inzwischen gibt es bundesweit meh¬
rere hundert Facebook-Seiten, die
sich gegen die Einrichtung von Asyl¬
unterkünften wenden. Ihre Namen
sind oft ähnlich: Nein zum Heim X,
Stadt Y wehrt sich oder schlicht Bür¬
gerinitiative Z. Die Zählung für das
Land Brandenburg ergibt: 42 Face¬
book-Seiten mit 47.636 »Gefällt-mir«
Angaben richten sich gegen die Ein¬
richtung von Asylunterkünften.
Die populärsten Seiten sind dabei
die beiden brandenburgweiten Seiten
Brandenburg wehrt sich (über 6.300
»Gefällt-mir«-Angaben) und Ein Licht
für Deutschland gegen Überfremdung
(knapp 5.000). Letztere wird dem
Neonazinetzwerk Licht und Schatten
aus Potsdam und Umgebung zugeord¬
net. Die Neonazis von Licht und Schat¬
ten pflegen enge Kontakte zu Maik
Eminger, Zwillingsbruder des als NSU-
Unterstützer angeklagten Andre Emin¬
ger und inzwischen Brandenburger
4
monitor | rundbrief des apabiz e.v. | nr. 69, mai 2015
antifaschistisches pressearchiv und biidungszentrum beriin e. v.
Sprecher der Neonazipartei Der III.
Weg. Etwas weniger Klickzahlen
haben dagegen die NPD-nahen Seiten
Nein zum Heim in Guben (über 3.600),
Nein zum Heim in Oranienburg (über
3.000) und Nein zum Heim Eisenhütten¬
stadt (über 2.700), gehören aber als
lokalorientierte Seiten zu den Spit¬
zenreitern. In allen drei Städten fan¬
den bereits rassistische Kundgebun¬
gen statt. Die meisten anderen der 42
Facebook-Initiativen haben unter
1.500 Klicks, viele verharren bei eini¬
gen Hundert »Gefällt-mir«-Angaben.
Neben der Zustimmung lässt sich
an den Daten ebenfalls erkennen,
welche Initiative auf andere Seiten
verweist, wodurch ein digitales Netz¬
werk sichtbar wird. Wieder gehört
Nein zum Heim in Guben zu den am
meisten genutzten Seiten: 14 der 42
Seiten verweisen auf die Facebook-
Initiative aus der Grenzregion. Dicht
gefolgt von einer weiteren Grenz¬
stadt: Auf die Seite Frankfurt Oder
wehrt sich verweisen zehn Branden¬
burger Facebook-Seiten. Nein zum Heim
in Oranienburg (9), Nein zum Heim in
Nauen (8) und Brandenburger für Mei¬
nungsfreiheit und Mitbestimmung (8)
werden ebenfalls häufig auf anderen
Seiten genannt. Alle Verbindungen
haben wir in einer Grafik veranschau¬
licht.
Nein zum Heim in Guben
Es reicht allerdings nicht aus, die
Klicks und Zahlen der digitalen
Zustimmung zu zählen, ohne die
Strukturen dahinter anzuschauen.
Bei der Analyse fällt eine Seite auf:
Nein zum Heim in Guben erhält als Seite
mit Lokalbezug die meisten Likes,
postet mehrmals täglich und ist auch
auf der Straße aktiv. Dabei hat Guben
gerade einmal 17.600 Einwohner_
innen. Würden nur Gubener_innen
die Seite frequentieren, wurde es
bedeuten, dass jede_r fünfte die ras¬
sistische Initiative unterstützt. Doch
die Verweise von anderen Facebook-
Initiativen nach Guben verdeutlichen
eine brandenburgweite Aufmerksam¬
keit. Sogar bundesweit werden Ver¬
linkungen zu anderen Anti-Asyl-Sei-
ten, ebenso wie zu rechten Seiten
wie Junge Freiheit und Netzplanet getä¬
tigt. Dass es sich bei der Nein zum Heim
in GuBEN-Seite um eine NPD-nahe Sei¬
te handelt, zeigt sich nicht nur an
der Nutzung des NPD-Kampagnenlogo
Asylantenheim? Nein Danke! als Titel¬
bild, sondern auch anhand von
Berichten über NPD-Kundgebungen.
Zuletzt riefen die Initiatorinnen der
Facebook-Initiative zu einer Kundge¬
bung im März diesen Jahres auf. Es
handelt sich um eine klassische NPD-
Kundgebung mit Funktionärlnnen
aus dem Oderland und der Lausitz,
ebenso wie Anhängerinnen der JN
Brandenburg. Sowohl Aileen Rokohl,
Pressesprecherin des NPD-Landesver-
bandes, als auch Landesschatzmeis¬
terin Manuela Kokott agitierten in
ihren Redebeiträgen im Sinne der
NPD gegen die Aufnahme von
Geflüchteten in Guben. Vor 16 Jah¬
ren jagte eine Gruppe Neonazis den
algerischen Asylbewerber Farid
Guendoul in Guben zu Tode. Der bis
heute aktive Neonazi und NPD-Funk-
tionär Alexander Bode wurde damals
als Haupttäter verurteilt. Bode gilt als
eine der zentralen Akteure der rech¬
ten Szene in Guben. Auch für den 16.
Mai ruft Nein zum Heim in Guben erneut
zu einer Kundgebung gegen Geflüch¬
tete auf.
Rassistisches Potenzial in
Brandenburg
Insbesondere die so genannten
Nein zum HEiM-Initiativen entfalten
ihr Potenzial im Internet. Während
sonst ein paar Dutzend, höchstens
aber 200 Menschen auf die Straße
gehen, eröffnet Facebook einen Blick
auf das noch nicht ausgereizte Poten¬
zial an Sympathisantlnnen: Zwar las¬
sen sich die über 47.000 »Gefällt-
mir«-Angaben nicht eins zu eins in
Personen umrechnen, denn viele
Nutzerinnen liken mehrere Seiten
zugleich oder nutzen mehrere Profile.
Darüber hinaus, gibt es im Internet
Tipps, wie »Gefällt-mir«-Angaben
erhöht und sogar gekauft werden
können. Klar ist, die Macherinnen
der rassistischen Seiten haben ein
Interesse, die Zahl der Klicks hochzu¬
halten. Wie hoch die genaue Anzahl
der realen Personen hinter den
Likes ist, bleibt unklar. Sicher ist:
Mehrere tausend Personen geben ras¬
sistischer Hetze im Internet ihre
Zustimmung.
Brandenburg steht damit nicht
allein da. Insbesondere der Anstieg
von Gewalt- und Straftaten im
Zusammenhang mit Unterkünften für
Geflüchtete spiegelt eine bundeswei¬
te Entwicklung wieder.
Rechtes Land hat bereits die
rechten Aufmärsche in der Bundesre¬
publik gezählt, rechte Gewalt in
unterschiedlichen Städten und Bun¬
Sehr beliebt: Ver¬
linkungen von
rassistischen
Facebook-Initiati¬
ven auf die Nein
zum Heim in Guben-
Seite.
desländern kartiert und ebenso auf
die Todesopfer rechter Gewalt hinge¬
wiesen. Der Online-Atlas Rechtes
Land ist mit neuem Layout und neu¬
en Funktionen zu finden auf www.
rechtesland.de sowie interaktive Kar¬
ten auf blog.rechtesland.de.
Svenna Berger und Felix Hansen
Wildes Durchein¬
ander: Die Linien
zeigen die Verwei¬
se von rassisti¬
schen Initiativen
untereinander.
| Eine interaktive
Version der Grafi¬
ken gibt es unter
blog.rechtesland.
de
monitor | rundbrief des apabiz e.v. | nr. 69, mai 2015
5
antifaschistisches pressearchiv und biidungszentrum beriin e. v.
10
Rezension
Rechte Existenzbeweise
Erinnerungsorte der extremen Rechten -
Martin Langebach und Michael Sturm
Edition REchtsextremismus
Martin Langebach
Michael Sturm Hrsg.
[Erinnerungsorte
der extremen
Rechten
I st in der Öffentlichkeit von
der Geschichtspolitik der ext¬
remen Rechten die Rede, geht es
meist um Rudolf Hess oder soge¬
nannte Trauermärsche zur Erinne¬
rung an die Bombardierung deut¬
scher Städte im 2. Weltkrieg. Doch
die geschichtspolitische Praxis der
extremen Rechten ist facettenrei¬
cher als in Medien und Politik wahr¬
genommen wird. Ein neuer Sammel¬
band widmet sich dem historischen
Gedächtnis der extremen Rechten.
Pathos ist keine Mangelware, wo
die extreme Rechte sich versammelt,
um sich am liebsten beim Schein
von Fackeln anhand von Personen
und Ereignissen ihrer selbst zu ver¬
gewissern. Über Jahre stand der
skurrile Kult um den Hitlerstellver¬
treter Rudolf Hess im Mittelpunkt
der Aufmerksamkeit des Neonazis¬
mus und der Öffentlichkeit. Hess, so
die mythenbildende These nach sei¬
nem Tod im Gefängnis Spandau
1987, sei vom britischen Geheim¬
dienst ermordet worden. In den fast
drei Jahrzehnten danach stieg Hess
zur zentralen geschichtspolitischen
Identifikationsfigur des Neonazis¬
mus auf. Sein Tod sei ein »Opfer¬
gang für Deutschland« gewesen, er
selbst ein »Märtyrer des Friedens«.
In dem in Rede stehenden Sammel¬
band spürt die Autorin Maica Vier¬
kant der Entstehung
und der Rezeption des
HESS-Kultes im Neona¬
zismus nach. Doch die
Herausgeber und
Autor_innen haben
mehr im Blick.
In der Einleitung
skizzieren sie den
»geschichtspoliti¬
schen Fundamentalis¬
mus« (Werner Berg¬
mann/Michael Kohl¬
struck) und erinnern
daran, dass das historische Bewusst¬
sein der extremen Rechten von Vor¬
stellungen der zyklischen Wieder¬
kehr des Schicksals und der natur¬
haften Bestimmung des Kampfes der
Völker um Raum geprägt sei. Begrif¬
fe wie »Heldentum« und »Opfer¬
gang« sind hier nicht leere Worthül¬
sen sondern ideologische Essenz
und Urgrund geschichtlicher Ereig¬
nisse. Die extreme Rechte entwirft
in allen ihren geschichtspolitischen
Aktivitäten eine Gegenerzählung zu
dem, was heute für deutsche
Geschichte gilt. Angeblich alt-ger¬
manische Kultstätten finden sich zu
Orten des Widerstandes gegen die
westlich-römische Christianisierung
Mitteleuropas aufgeladen, Kriegs¬
handlungen deutscher Freikorps zu
antipolnischen Befreiungskämpfen
stilisiert. Dass rechte Mythen im
Umgang mit Erinnerungs- und Tat¬
orten des NS-Regimes Eingang in
geschichtliche Narrative auch jen¬
seits der extremen Rechten finden
konnten, belegt das Beispiel der
Wewelsburg und ihrer angeblich
sagenumwobenen »schwarze Son¬
ne«. Nachgezeichnet wird, wie Nar¬
rationen über SS in der Nachkriegs¬
zeit in die Zunft der Geschichtswis¬
senschaft gerieten und sich dort
über Jahrzehnte erfolgreich festset¬
zen.
Doch nicht nur der neonazisti¬
sche Flügel der extremen Rechten
wob eifrig an identitätsstiftenden
Mythen und Legenden. Der Beitrag
von Volker Weiß über die Ahnen¬
galerie der Säulenheiligen der »kon¬
servativen Revolution« und deren
Verehrung durch rechtsintellektuel¬
le Gruppen und Netzwerke zeigt,
dass es nicht immer fester Orte der
Konkretion von Geschichte bedarf,
um ideengeschichtliche Herkunft zu
gründen. Mit Carl Schmitt und Ernst
Jünger hat die intellektuelle Rechte
Leitsterne, die ihr auch dort leuch¬
ten, wo es nicht um ein örtliches
Erbe, sondern um ein geistiges geht.
Die Autorinnen des Bandes zeigen,
dass die geschichtspolitischen
Bezugsgrößen der extremen Rech¬
ten weiter zurückreichen als bis in
die scheinbar omnipräsente NS-Zeit.
Und so sind die Lesenden vielleicht
künftig nicht mehr überrascht,
wenn extrem rechte Gruppen zu
Gedenkveranstaltungen zum Geden¬
ken an die antinapoleonische »Völ¬
kerschlacht« auflaufen, um dort das
zu beschwören, was sie unter
Deutschland verstanden wissen wol¬
len: eine Volksgemeinschaft im
Kampf gegen ihre Feinde.
Das Buch analysiert die
geschichtspolitischen Existenzbe¬
weise der extremen Rechten kundig,
umsichtig und mit Weitblick. Alle,
die über rechte Geschichtspolitik
mehr wissen wollen als in den Medi¬
enberichten über Neonaziaufmär¬
sche aus geschichtlichem Anlass zu
erfahren ist, sollten zu diesem Sam¬
melband greifen.
Christian Grünert
Martin Langebach , Michael Sturm
(Hrsg.): Erinnerungsorte der extremen
Rechten. Wiesbaden 2015.
6
monitor | rundbrief des apabiz e.v. | nr. 69, mai 2015
antifaschistisches pressearchiv und bildungszentrum berlin e. v.
Kurzmeldungen
ID
Vereinigte Christen für
Deutschland
Fulda • Am 28. März 2015 fand die
seit 2012 angekündigte Vereinigung
der beiden christlich-fundamentalisti-
schen Kleinparteien PBC (Partei
Bibeltreuer Christen) und AUF (Partei
Arbeit, Umwelt und Familie) statt. Der
sperrige neue Name ist Bündnis C -
Christen für Deutschland - AUF & PBC,
Gleichberechtigte Vorsitzende sind
Karin Heepen (Erfurt) und Ole Steffes
(Dresden). Die Partei hat nach Eigen¬
angaben 3.000 Mitglieder; man erhof¬
fe sich von der Fusion ein Signal für
mehr christliche Werte in der Politik.
Der bisherige PBC-Vorsitzende Steffes
hat angekündigt, die Partei wolle sich
auf die Kommunalwahlen und die
Europawahl im Jahr 2016 konzentrie¬
ren.
1. Mai: Neonazis haben
Zulauf
Bund • Etwa 2.000 Neonazis nahmen
am 1. Mai an den sieben unterschied¬
lichen extrem rechten Demonstratio¬
nen und Kundgebungen zum »Tag der
Arbeit« teil. Damit wurden die Teil¬
nahmezahlen aus den Vorjahren leicht
übertroffen.
2014 waren 1.700 Neonazis auf der
Straße, 2013 waren es 1800. Die
Daten für 2015 im Einzelnen: 700
Neonazis bei der Demonstration vom
III. Weg in Saalfeld; 400 in Neubran¬
denburg (NPD), 350 in Essen (Die
Rechte), 200 in Erfurt (NPD), je 150 in
Worms und Mönchengladbach (beide
NPD), sowie insgesamt rund 50 bei
zwei Kundgebungen in Berlin (NPD).
Flinzugezählt werden können zudem
die rund 40 Neonazis, die eine DGB-
Kundgebung in Weimar überfallen
hatten. Kleinstkundgebungen veran¬
stalteten die PRO-Bewegung (in Ober¬
hausen und Mühlheim/Ruhr) und Die
Republikaner (Duisburg). Bei der grö߬
ten Neonazi-Aktion am 1. Mai in Saal¬
feld kam es zu schweren Angriffen auf
Gegendemonstrantjnnen und Journa-
list_innen.
Gescheiterte Maskerade -
AFD-Funktionär ist Mitorgani¬
sator und Pressesprecher bei
Bärgida
Berlin • Die bisher bemüht unauffälli¬
ge Berliner AfD hat ihren ersten klei¬
nen Skandal um extrem rechte Perso¬
nen in den eigenen Reihen. Laut apa-
biz-Recherche ist Heribert Eisenhardt
nicht nur Beisitzer im Kreisverband
Lichtenberg sondern außerdem Mitor¬
ganisator und Pressesprecher der asyl-
und islamfeindlichen, stark neonazi¬
stisch geprägten BÄRGiDA-Aufmärsche.
Hier nutzt er allerdings das Pseud¬
onym Reiner Zufall, um offensichtlich
bewusst die Verbindungen zwischen
Bärgida und AfD in Bezug aufseine
Person zu verschleiern. Dem AFD-Lan-
desvorstand seien die Undercover-
Aktionen Eisenhardts bisher nicht
bekannt, wie Pressesprecher Götz
Frömming dem Neuen Deutschland
berichtete. Die bisherige Linie der AfD
sei demnach immer noch: »Wir halten
uns von Bärgida fern.« Der Landesver¬
band steht nun unter Zugzwang, denn
offensichtlich sieht Eisenhardt das
anders.
Als Reiner Zufall
auch Pressespre¬
cher bei Bärgida:
AfD-P olitiker
Heribert Eisenhardt
auf einer Bärgida-
Kundgebung am
04. Mai 2015.
| (c) Christian
Ditsch
(Ein ausführlicher Artikel befindet
sich auf unserem Blog »Berlin rechts-
außen«.)
Berliner Zustände
Schattenbericht 2014 ist erschienen
Erneut haben sich viele Gruppen und
Initiativen an der Broschüre Berliner
Zustände beteiligt. Schwerpunkte in
der aktuellen Ausgabe sind die The¬
men: Geflüchtete Rassismus, Neona¬
zis und Antisemitismus, mit dem
Fokus auf Berlin.
Auf über 100 Seiten gibt es Texte,
die das Geschehene im Jahr 2014
darstellen und analysieren. Eine
Fotoreihe zeigt die Bilder von den
Özlem Günyol und Mustafa Kunt. Die
Künstlerinnen besuchten die Gren¬
zen des Kosovo und hinterfragen in
der Serie die häufig nicht sichtbare
Präsenz von Grenzen und illustrieren
deren Konstruiertheit.
Die Broschüre ist auch in
diesem Jahr wieder in
Zusammenarbeit zwischen
der Mobilen Beratungsstelle
gegen Rechtsextremismus
(MBR) und dem apabiz ent¬
standen.
Unsere Fördermitglieder
bekommen den Schattenbe¬
richt zugesandt. Interessier¬
te können ihn im apabiz
gegen eine Schutzgebühr
von 4,-Euro erwerben.
monitor | rundbrief des apabiz e.v. | nr. 69, mai 2015
7
antifaschistisches pressearchiv und bildungszentrum berlin e. v.
ID
Abonnieren...
...kann man den nicht. Aber
wer Fördermitglied des apabiz e.v. wird,
der bzw. die bekommt ihn kostenlos
zugeschickt!
Spenden und vor allem ein fester Kreis
von Fördermitgliedern sind für unsere
Arbeit unersetzbar. Sie sichern den
Erhalt unseres Projektes unabhängig
von öffentlichen Geldern und damit
unabhängig von gesellschaftlichen
Stimmungen. Die Spenden sind steuer¬
lich absetzbar.
► Fördermitglied werden
Ihr spendet uns einen festen monatli¬
chen Betrag, den wir von Eurem Konto
abbuchen. Alternativ ist auch die Ein¬
richtung eines Dauerauftrages möglich.
Dafür erhaltet Ihr diesen Rundbrief mit
unserer internen Beilage, werdet mit
Informationen versorgt und bekommt
einen Kaffee, wenn Ihr vorbeikommt.
► Spenden
Ihr überweist einfach einmalig oder per
Dauerauftrag auf unser Konto (s. S. 1).
Für die Ausstellung einer Spendenbe¬
scheinigung müsst Ihr uns allerdings
noch Eure Daten zukommen lassen.
Auch Sachspenden sind willkommen.
► Fördermitgliedschaft
Hiermit erteile ich dem apabiz e.V. eine
Einzugsermächtigung über monatlich
_Euro (mind. 5 Euro).
► Dauerauftrag/Einmalige Spende
Ich habe zur Unterstützung Eurer Arbeit
• einen Dauerauftrag eingerichtet,
einmalig_Euro überwiesen.
Kontonummer:_
Bank und BLZ:_
Name/Organisation:
Adresse:
e-mail:_
Unterschrift:_
Spendenbescheinigung erwünscht
(Fördermitglieder und Dauerspen-
derjnnen erhalten diese lx jährlich)
Neu im Archiv
In dieser Rubrik wollen wir Euch
einen kurzen Überblick über
Bücher, Broschüren und andere
Medien geben, die im Archiv neu
eingegangen und ab sofort verfügbar sind. Darüber hinaus werden wir auf bestimmte Sachge¬
biete hinweisen, zu denen Ihr Sammlungen bei uns finden könnt. Danke an die Verlage.
• Astrid Dehe, Achim Engstier: Nagars Nacht ,
Steidl Verlag , Göttingen 2014.
Im Mai vor 53 Jahren wurde Adolf Eichmann im
israelischen Ramla hingerichtet. Der Roman
erzählt die Geschichte von Shalom Nagar, der
Eichmann in seiner Zelle bewachte und sein Hen¬
ker werden sollte. Und es erzählt die Geschich¬
ten von Moshe und Ben. Ben der Hörende und
Fragende und Moshe der Schreibende, der um
sein Leben schreibt, so wie Nagar um sein Leben
erzählt. Immer wieder geht es um Eichmann. Sha¬
lom Nagar muss Blut vergießen um Eichmanns
Blut abzuwaschen, er muss von ihm erzählen um
seinen Fluch zu übertönen.
Die Autorinnen haben sehr genau recherchiert,
über den Eichmann- Prozeß, die Prozeß-Berichte,
sowie den Dokumentarfilm »Der Henker« von
2010. Es ist ein dichter Roman, der eine große
Intensität beinhaltet, die manchmal kaum aus¬
zuhalten ist. Das Böse ist nicht aus der Welt zu
schaffen - dies ist das realistische Fazit des
Romans. Die Opfer kommen zu Wort und deswe¬
gen ist dieses Fazit nur logisch.
• Alexander Häusler , Rainer Roeser: Die rechten
>Mut<-Bürger. Entstehung , Entwicklung , Personal &
Positionen der Alternative für Deutschland, VSA:
Verlag , Hamburg 2015.
Knapp zweieinhalb Jahre nach Gründung der
AfD melden sich nun auch Alexander Häusler,
seines Zeichens ausgewiesener Rechtsextremis¬
musforscher, und Rainer Roeser, der als freibe¬
ruflicher Journalist regelmäßig zum Thema Ext¬
reme Rechte publiziert, zu Wort. Sie fassen in
ihrem knapp 150 Seiten umfassenden Buch per¬
sonelle und ideologische Wurzeln des relativ
neuen politischen Players zusammen und geben
einen Überblick über die bisherige Politik der
rechtspopulistischen Partei. Dabei geben sie
selbst Lücken zu, etwa in Hinblick auf die Hal¬
tungen der AfD zu Familie und Gender Mainstre¬
aming, doch manchmal liegt eben in der Kürze
die Würze. So auch in diesem Buch, welches
besonders zum Einstieg in die Thematik gut
geeignet ist.
• Lars Geiges, Stine Marg, Franz Walter: Pegida.
Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?,
Transcript Verlag , Bielefeld 2015.
Auch Schnellschüsse können ins Ziel treffen.
Noch während die PEGiDA-Bewegung durch
Dresden stapft, ist das erste Buch erschienen,
das eine umfangreichere Darstellung dieses
Phänomens wagt. Ein Team von Göttinger Polito-
log_innen war bis Anfang 2015 bei den Ver¬
sammlungen zugegen, stellte Beobachtungen an,
führte Gruppendiskussionen sowie eine quanti¬
tative Befragung von PEGiDA-Anhängerlnnen
durch. Diese Daten sind Grundlage des topaktu¬
ellen Buchs. Hinzu kommen Rahmendarstellun¬
gen, etwa zur PEGiDA-Gründung und des Verhält¬
nisses zur AfD. Das Ergebnis kann sich sehen
lassen. Die demografischen Daten und besonders
die Einblicke in die Gedankenwelt der Pegidisten
sind wertvolle Bausteine für die weiter nötige
Diskussion. Angesichts des teils haarsträubenden
Rassismus unter den Pegidisten ist der (bewe¬
gungsforscherisch legitime) Darstellungsstil des
Buches an manchen Punkten gewöhnungsbe¬
dürftig, weil stark um neutrale Wiedergabe
bemüht.
• Sebastian Friedrich: Der Aufstieg der AfD. Neo¬
konservative Mobilmachung in Deutschland , Bertz
+ Fischer Verlag , Berlin 2015.
Der Bildungswissenschaftler Sebastian Friedrich
legt auf knappen 109 Seiten einen durchaus
gelungenen Versuch einer kompakten wie präzi¬
sen kritischen Analyse der AfD vor - sofern dies
für die noch junge Geschichte der Partei möglich
ist. Die zentralen Fragen, denen er dabei nach¬
geht, sind: Wie ist der schnelle Aufstieg der AfD
zu erklären? Wer sind die Akteure und was sind
ihre Ziele? Welche Entwicklung hat die Partei
bisher genommen und wohin steuert sie? Wer
wählt und unterstützt die AfD? Fiedrich betrach¬
tet den bisherigen Erfolg der AfD dabei auch vor
dem Hintergrund eines konservativen gesell¬
schaftspolitischen Rollbacks. Für seine Analyse
zieht er eine beachtenswerten Fülle an einleuch¬
tenden Beispielen heran. Er zeigt unter anderem
auf, dass auch AFÜ-Chef Bernd Lucke entgegen
der öffentlichen Wahrnehmung eine strategische
Öffnung der Partei nach rechts gefordert und
gefördert hat. Ein lohnendes Handbuch zur kriti¬
schen Auseinandersetzung mit der AfD ist es
allemal.
Das ti+ßr—ffiijcirfc a
vom apabiz e.v. Vy
Nicht nur für Vereine und Institutionen, sondern für
alle, die in den Genuss des gesamten Service des
apabiz e.v. kommen möchten, gibt es jetzt unser
in den Größen S, M und L:
• je 3/10/20 Exemplare des pro Ausgabe
• den Referentlnnen-Katalog inklusive Updates
• zwei Exemplare aller neuen Publikationen des
apabiz e.v. (Broschüren, Handreichungen etc.)
• Sonderkonditionen bei Nachbestellungen und
Recherche-Anfragen
gibt es für 70 Euro / 100 Euro / 130 Euro im Jahr!
monitor | rundbrief des apabiz e.v. | nr. 69, mai 2015